Ergänzung 3.3: Polarisation elektromagnetischer Wellen: Stokes-Vektoren und Müller-Matrizen (1/2)

Neben dem Verfahren nach R. Clark Jones wurde ein weiteres Matrizenverfahren entwickelt, das nicht nicht die Feldstärkekomponenten elektromagnetischer Wellen sondern ihre Quadrate nutzt. Vier quadratische Ausdrücke beschreiben den Polarisationszustand, den Polarisationsgrad und die Intensität des Lichts. Sie gehen auf George Gabriel Stokes zurück und werden als Stokes-Parameter bezeichnet. Vergleichbar dem zweikomponentigen Jones-Vektor bilden sie den aus vier Komponenten bestehenden Stokes-Vektor. Wechselwirkungen des Lichts werden entsprechend mit 4×4-Matrizen beschrieben, die von Hans Müller eingeführt wurden und daher als Müller-Matrizen bezeichnet werden.

Intensitätskomponenten als Spaltenmatrix: Stokes-Vektoren

Wir gehen wieder vom elektrischen Feldvektor einer in Richtung x sich ausbreitenden elektromagnetischen Welle aus:

E =( E y E z )

Die Feldkomponenten werden wieder als komplexe Funktionen angenommen. Ihre Quadrate berechnen sich als Produkte der komplexen Komponenten mit den konjugiert komplexen Komponenten. Stokes definierte vier quadratische Ausdrücke, die sogenannten Stokes-Parameter,

I y = E y E y I z = E z E z U= E y E z + E z E y V=i( E y E z E z E y )

welche die Elemente des Stokes-Vektors bilden:

S =( I y I z U V )
Quadrat komplexer Größen

Die Namen der Parameter lassen vermuten, dass Iy und Iz die Intensitäten der in Richtung der y- und z-Koordinaten schwingenden Anteile des Lichts sind. Die Bedeutung von U und V ist nicht unmittelbar ersichtlich. In der rechten Spalte werden einige Beispiele dargestellt, die verdeutlichen, welche Rolle sie haben.

Eine alternative Definition

Nehmen wir wieder ohne Beschränkung der Allgemeinheit eine ebene monochromatische Welle an,

E y = E y,o e i(kxωt) E z = E z,o e i(kxωt+φ)

so ergeben sich die folgenden Stokes-Parameter:

I y = E y,0 2 I z = E z,0 2 U=2 E y,0 E z,0 cosφ V=2 E y,0 E z,0 sinφ

Hieraus folgen die in der Tabelle der rechten Spalte genannten Stokes-Vektoren der wichtigsten Polarisationsarten. Die Intensität des Lichts ist zu 1 normiert. Die Bezeichnung steht für lineare Polarisation mit einem Index, der den Winkel α gegen die y-Achse angibt, c steht für zirkulare Polarisation, und r kennzeichnet unpolarisiertes (natürliches) Licht. Der Vektorpfeil über den Beispielen wurde der Übersichtlichkeit wegen weggelassen.

Stokes-Vektor Polarisationsart
0 =( 1 0 0 0 ) Linear längs der y-Achse
90 =( 0 1 0 0 ) Linear längs der z-Achse
45 =( 1/2 1/2 1 0 ) Linear diagonal im ersten und dritten Quadranten der y,z-Ebene
135 =( 1/2 1/2 1 0 ) Linear diagonal im zweiten und vierten Quadranten der y,z-Ebene
c r =( 1/2 1/2 0 1 ) rechts zirkular
c l =( 1/2 1/2 0 1 ) Links zirkular
r=( 1/2 1/2 0 0 ) unpolarisiert

Offensichtlich gelten die folgenden Eigenschaften:

  1. Die Intensität des Lichts ist I y + I z
  2. Ist die Intensität auf 1 normiert, so gilt bei vollständiger Polarisation:
    ( I y I z ) 2 + U 2 + V 2 = I y + I z =1
  3. Für unpolarisiertes Licht gilt:
    I y I z =U=V=0
  4. Für den bereits definierten Polarisationsgrad
    p = (Intensität des polarisierten Anteils)/Gesamtintensität
    ergibt sich damit der Ausdruck:
    p= ( I y I z ) 2 + U 2 + V 2 I y + I z

Stokes-Vektoren nutzen Quadrate der elektrischen Feldstärke. Wegen

E E = E o e i( kxωt+φ ) E o e i( kxωt+φ ) = E o 2

geht durch das Quadrieren die Information über die Phase verloren, ebenso wie die Information zu den spektralen Eigenschaften, siehe den Abschnitt über elektromagnetische Wellen in Kapitel 1.

Stokes-Vektoren eignen sich daher nicht zur Analyse kohärenter Effekte. Andererseits kann - anders als mit den Jones-Vektoren - auch unpolarisiertes Licht beschrieben und der Polarisationsgrad teilweise polarisierten Lichts bestimmt werden.