Ergänzung 3.3: Polarisation elektromagnetischer Wellen: Stokes-Vektoren und Müller-Matrizen (2/2)

Optische Wechselwirkungen als 4×4-Matrix: Müller-Matrizen

Die Elemente eines Stokes-Vektors S ändern sich, wenn man den Vektor mit einer 4×4-Matrix multipliziert. Diese Matrix kennzeichnet die Wechselwirkung des Lichts mit einem optischen Bauteil, oder einen optischen Effekt, der die Intensität oder Polarisation ändert. Kennzeichnet man den Stokes-Vektor nach der Wechselwirkung wie im Fall der Jones-Vektoren als gestrichene Größe, so lässt sich schreiben:

( I y ' I z ' U' V' )=( a 11 ... ... a 14 ... ... ... ... ... ... ... ... a 41 ... ... a 44 )( I y I z U V ) S '=M S

Die Intensitätstransformationsmatrix M ist die Müller-Matrix.

Für das Auffinden der für eine bestimmte Aufgabe gesuchte Müller-Matrix kann man (wenn man sie in der Literatur nicht findet) auf die nicht so schwierig zu formulierende Transformation der Feldstärken

E y ' = a 1 E y + a 4 E z E z ' = a 3 E y + a 2 E z

zurückgreifen und die gestrichenen Feldstärken in die Definition der Stokes-Parameter einsetzen. Nach Sortieren der so entstehenden Terme lassen sich die Elemente der Müller-Matrix identifizieren.

Beispiel 1: Matrix des Verzögerers, schnelle Achse in Richtung y
Beispiel 2: Matrix des Linearpolarisators mit diagonaler Orientierung

So wie in diesen Beispielen kann auch die Müller-Matrix der bereits früher diskutierten Drehung der y,z-Koordinaten um einen Winkel α gefunden werden. Dies führt zur Drehmatrix:

R(α)=( cos 2 α sin 2 α 1 2 sin2α 0 sin 2 α cos 2 α 1 2 sin2α 0 sin2α sin2α cos2α 0 0 0 0 1 )

Die in der rechten Spalte angegebenen Matrizen einiger Bauteile in ihrer Basisorientierung können mit der folgenden Gleichung in eine Orientierung unter dem Winkel α überführt werden:

M(α)=R(α)MR(α)

Die Funktion mehrerer Bauteile in Reihe berechnet sich wie im Falle der Jones-Matrizen aus dem nicht-kommutativen Produkt der jeweiligen Müller-Matrizen, für n Bauteile:

M= M n M n1 ... M 2 M 1

Als letztes Element eines optischen Aufbaus findet sich meist ein Fotodetektor, mit dem die Intensität des Lichts gemessen wird. Der Detektor kann als Zeilenvektor D =( 1 1 0 0 ) dargestellt werden, mit dem die Summe der beiden ersten Elemente eines Stokes-Vektors ermittelt wird:

I y '+ I z '=( 1 1 0 0 )( I y ' I z ' U' V' )=( 1 1 0 0 )M( I y I z U V )

Die Zeilenmatrix des Detektors kann durch spektral abhängige Faktoren ergänzt werden, um seine wellenlängenabhängige Empfindlichkeit oder Quantenausbeute zu berücksichtigen.

 

Müller-Matrix Bauteil oder Wechselwirkung
P=( 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 ) Linearpolarisator mit Durchlass längs der y-Achse
Q φ =( 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 cosφ sinφ 0 0 sinφ cosφ ) Verzögerer mit einer Phasendifferenz φ der Teilwellen, schnelle Achse in Richtung y
Q λ/4 =( 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 ) λ/4-Verzögerer (λ/4-Blättchen) mit φ=π/2, schnelle Achse in Richtung y
Q λ/2 =( 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 ) λ/2-Verzögerer (λ/2-Blättchen) mit φ=π, schnelle Achse in Richtung y
T= n 2 cos δ t n 1 cosδ ( t 2 0 0 0 0 t 2 0 0 0 0 t t 0 0 0 0 t t ) Fresnel-Brechung an einem Dielektrikum.
Die Größen n1 und n2 sind die Brechzahlen im einfallenden und gebrochenen Medium. Fresnel-Koeffizienten: siehe den vorherigen Abschnitt über Jones-Matrizen.
X=( r 2 0 0 0 0 r 2 0 0 0 0 r r 0 0 0 0 r r ) Fresnel-Reflexion an einem Dielektrikum.
Die negativen Vorzeichen der gemischten Komponenten entstehen durch die Richtungsumkehr infolge der Reflexion. Fresnel-Koeffizienten: siehe den vorherigen Abschnitt über Jones-Matrizen.
Y=( r 2 0 0 0 0 r 2 0 0 0 0 c s 0 0 s c )

mit den Abkürzungen

c= r r cosΔ
s= r r sinΔ
Fresnel-Reflexion an einem Metall.
Einfallswinkel von 0 bis 90° ergeben Phasenwinkel Δ von 0 bis 180° zwischen den orthogonalen Teilwellen. Alle Größen sind Funktionen der komplexen Brechzahl m=n-in', mit der reellen Brechzahl n und dem Extinktionskoeffizienten n' des Metalls, die von der Wellenlänge abhängen.

Für eine ausführliche Darstellung siehe z.B. David Clarke: Stellar Photometry (Wiley-VCH, 2010), Appendix A.
Aufgabe: Licht durch einen λ/4-Verzögerer