3. Syndrome des Globalen Wandels
Syndrome des Globalen Wandels lassen sich als funktionale Muster natürlicher und zivilisatorischer Trends weltweit an vielen Orten identifizieren. Sie bezeichnen hochkomplexe natürliche oder durch den Menschen verursachte Prozesse, und werden auch als global bedeutsame Krankheitsbilder der Erde betrachtet.
Systemarer Ansatz
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat im Jahresgutachten von 1996 zentrale Problemfelder der weltweiten zukünftigen Entwicklung beschrieben und als Syndrome des Globalen Wandels greifbar gemacht.
Mit integrierter Forschung zum Globalen Wandel wird ein systemarer Ansatz verfolgt, der die Menschheit als aktiven Systemfaktor von planetarischer Bedeutung betrachtet. Nur eine vernetzte und interdisziplinäre Betrachtungsweise kann der hohen Komplexität der dynamischen Zusammenhänge gerecht werden und gleichzeitig dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung sinnvolle Wege aufzeigen. Die wichtigsten Entwicklungen des Globalen Wandels werden dabei als qualitative Elemente, als Trends bzw. Syndrome des Globalen Wandels verwendet. Diese lassen sich zu einem qualitativen Netzwerk, dem Globalen Beziehungsgeflecht, zusammensetzen (WBGU 1996).
Aufgaben:
1. Erklären Sie ihren Mitschülern das Syndromkonzept.
2. Wie unterscheidet sich dieses Konzept von anderen Forschungen zum Globalen Wandel?
3. Klicken Sie auf die Bilder oder Links in den unten stehenden Tabellen und informieren Sie sich über ausgewählte Syndrome.
Die zugrunde liegende These des Syndromkonzepts lautet:
"Die komplexe globale Umwelt- und Entwicklungsproblematik lässt sich auf eine überschaubare Anzahl von Umweltdegradationsmustern zurück- führen." (WBGU 1996).
Kennzeichen dieser Syndrome des Globalen Wandels sind ihr transsektoraler Charakter (d. h. sie reichen über verschiedene Sektoren wie Wirtschaft, Umwelt, Soziale Gemeinschaft etc. hinaus), ihr mittel- oder unmittelbarer Bezug zur Umwelt, sowie ihr Auftreten an vielen Orten der Welt. In diesen Querschnittsproblemen sollte eine Fehlentwicklung der Mensch-Umweltbeziehungen bzw. signifikante Umweltdegradation beschrieben werden.
Für die Bewältigung der Probleme ist ein globaler Lösungsansatz erforderlich. Jedes Syndrom bzw. Krankheitsbild ist ein eigenständiges Grundmuster der zivilisatorisch bedingten Umweltdegradation und im Prinzip unabhängig von den anderen, teilweise mit starken Selbstverstärkungsmechanismen. Zudem lassen sich passive Überlagerungen und/ oder aktive Wechselwirkungen zwischen einzelnen Syndromen beobachten (WBGU 1996).
Insgesamt können drei Gruppen von Syndromen unterschieden werden:
- Syndrome als Folge einer unangepassten Nutzung von Naturressourcen (z. B. Abholzung tropischer Regenwälder),
- Mensch-Umwelt-Probleme, die sich aus nicht-nachhaltigen Entwick- lungsprozessen ergeben (z. B. Suburbanisierung)
- Umweltdegradation durch unangepasste zivilisatorische Entsorgung (z. B. Abfalldeponien)
Syndromgruppe Nutzung |
Syndrom | Erklärung | Beispiel |
Sahel-Syndrom | Landwirtschaftliche Übernutzung marginaler Standorte | Sahelzone | |
Raubbau-Syndrom | Raubbau an natürlichen Ökosystemen | Abholzung des tropischen Regenwaldes, z.B.in Brasilien | |
Landflucht-Syndrom | Umweltdegradation durch Preisgabe traditioneller Landnutzungsformen | ländliche Gebiete, z. B. in Nordpakistan | |
Dust-Bowl-Syndrom | Nicht-nachhaltige industrielle Bewirtschaftung von Böden und Gewässern | Mittlerer Westen der USA | |
Katanga-Syndrom | Umweltdegradation durch Abbau nicht-erneuerbarer Ressourcen | Rohstoffabbau (Diamantminen), Bergbau | |
Massentourismus-Syndrom | Erschließung und Schädigung von Naturräumen für Erholungszwecke & Tourismus | Mallorca, Teneriffa | |
Verbrannte-Erde-Syndrom | Umweltzerstörung durch militärische Nutzung | Vietnamkrieg |
Syndromgruppe Entwicklung |
Syndrom | Erklärung | Beispiel |
Aralsee-Syndrom | Umweltschädigung durch zielgerichtete Naturraumgestaltung im Rahmen von Großprojekten | Aralsee, Drei-Schluchten-Staudamm | |
Grüne-Revolution-Syndrom | Umweltdegradation durch Verbreitung standortfremder landwirtschaftlicher Produktionsverfahren | Grüne Revolution in Indien, Gewächshäuser | |
Kleine-Tiger-Syndrom | Vernachlässigung ökologischer Standards im Zuge hochdynamischen Wirtschaftswachstums | Staaten in Südostasien | |
Favela-Syndrom | Umweltdegradation durch ungeregelte Urbanisierung | Marginalsiedlungen in Megastädten | |
Suburbia-Syndrom | Landschaftsschädigung durch geplante Expansion von Stadt und Infrastrukturen | Suburbanisierung in Nordamerika | |
Haverie-Syndrom | Singuläre anthropogene Umweltkatastrophen mit längerfristigen Auswirkungen | Ölteppiche, Tschernobyl |
Syndromgruppe Entsorgung* |
Syndrom | Erklärung | Beispiel |
Hoher Schornstein-Syndrom | Umweltdegradation durch weiträumige diffuse Verteilung von meist langlebigen Wirkstoffen | Ozonschicht | |
Müllkippen-Syndrom | Umweltverbrauch durch geregelte und ungeregelte Deponierung zivilisatorischer Abfälle | Abfalldeponien am Rande von Großstädten | |
Altlasten-Syndrom | Lokale Kontamination von Umweltschutzgütern an vorwiegend industriellen Produktionsstätten | Manchester-Liverpool-Birmingham |
* Die Syndromgruppe Entsorgung wird hier ausgeklammert, der Vollständigkeit halber jedoch aufgeführt.