1. Meeresströmungen verstehen und vorhersagen
Meeresströmungen sind veränderlich
Plant man einen Urlaub im Ausland, ist es hilfreich zu wissen, wie die Klimaverhältnisse am Urlaubsort sind (das langfristige Durchschnitts- wetter). Dennoch hängt die Entscheidung vom Tageswetter ab, was man an einem bestimmten Tag unternehmen kann und welche Kleidung getragen wird.
Das Gleiche gilt auch für Meeresströmungen. Kenntnisse über durchschnittliche Transportmengen und die Richtung der großen Strömungen sind wichtig, um das Ökosystem oder die Bedeutung des Ozeans im globalen Klima besser zu verstehen. Was jedoch größeres Interesse weckt sind Schwankungen und Abweichungen vom langfristigen Mittelwert, oder die Stärke und Richtung einer bestimmten Strömung an einem bestimmten Ort an einem bestimmten Zeitpunkt.
Genaue Vorhersagen von Meeresströmungen zu erstellen erfordert die Nutzung von Daten aus verschiedenen Quellen (Satelliten, Schiffe, Bojen, Drifter), die Informationen über den aktuellen Zustand der Ozeane liefern.
Ein Modell des Meeressystems, das die bisherigen Erkenntnisse über die treibenden Kräfte im Meer wiederspiegelt, ist auch nötig. In den nachfolgenden Kapiteln erfahren Sie mehr über diese Kräfte. Aber vorab eine kurze Zusammenfassung:
Die treibenden Kräfte hinter Meeresströmungen
Der Wind schiebt an der Meeresoberfläche und entwickelt eine Strömung in Windrichtung, deren Stärke nach unten abnimmt. Windgetriebene Strömungen werden von der Erdrotation und von der Form des Meeresbeckens beeinflusst. Sie bestimmen die Wasserbewegungen in den oberen hundert bis tausend Metern des Ozeans. Sie beeinflussen das regionale Klima, bilden die Grundlagen für große Ökosysteme und Fischfanggründe, und spielen in der Schifffahrt und bei der Ausbreitung von Meeresverschmutzungen eine wichtige Rolle. Ausführliche Erklärung finden Sie in Kapitel 2.
Dichteunterschiede, hervorgerufen durch Unterschiede in Temperatur und Salzgehalt führen zu einer Vertikalzirkulation, durch die Wärme von den Tropen zu den Polarregionen transportiert wird. In den hohen Breiten sinkt kaltes, salziges Wasser nach unten und wird durch warmes Wasser aus den Tropen ersetzt. Von diesem 'globalen Förderband' wird auch Kohlendioxid von der Atmosphäre und von der Meeresoberfläche in die Tiefe verfrachtet, wo es dann für viele hundert Jahre verbleibt. Mehr über das globale Förderband finden Sie in Kapitel 3.
Vom Mond und von der Sonne hervorgerufene Gezeiten erzeugen Gezeitenströmungen, die in manchen Gegenden durchaus Geschwindigkeiten von mehreren Knoten erreichen können. Entlang der Küste und in seichten Meeren dominieren Gezeitenströmungen die Wasserbewegung. Vorhersagen über diese Gezeiten sind für die Schifffahrt beim Ein- und Auslaufen großer Häfen sehr wichtig.
Flüsse können lokale Strömungen stark beeinflussen, die wiederum für den Transport von Sedimenten und Schadstoffen eine wichtige Rolle spielen. Flüsse beeinflussen auch naheliegende Küstenbiotope, indem sie den Salzgehalt des Wassers verringern und Sedimente, Pflanzen-nährstoffe und verschiedene Schadstoffe aus dem Binnenland ins Meer führen. Die Auswirkung großer Flüssen wie Amazonas und Kongo sind hunderte von Kilometern von der Flussmündung entfernt noch erkennbar. Details über Gezeiten und Flüsse finden Sie in Kapitel 5.
Messbare Strömungen sind das Resultat des Zusammenwirkens all dieser Kräfte. Andere einwirkende Faktoren sind die Erdrotation, die Tiefe und Form des Meeresbodens, und die Küstenform.
Brauchbare Vorhersagen erstellen zu können erfordert genaue Kenntnisse und Verständnis aller dieser Faktoren und ihr Zusammewirken im Meer und an der Küste.
- im Schiffsverkehr, in verschiedenen Industrien und in vielen Freizeitaktivitäten
- im Leben von Meerespflanzen und -tieren, weil sie die Lebensbedingungen im Meer stark beeinflussen; ein besseres Verständnis der Meeresströmungen könnte zur nachhaltigen Nutzung von Meeresressourcen führen
- im regionalen Klima; in Zusammenwirkung mit Wind beeinflussen sie die Temperatur- und Niederschlagsmuster auf der ganzen Welt.