Ergänzung 3.4: Die Streumatrix     (1/2)

Als Lichtstreuung bezeichnet man die Änderung der Ausbreitungsrichtung des Lichts beim Auftreffen auf Teilchen. Lichtstreuung ist von vielen unterschiedlichen Bedingungen abhängig. Aus welchem Stoff bestehen die Teilchen? Welche Brechzahl hat das Material? Absorbiert es das Licht oder ist es transparent? Struktur, Form und Größe der Teilchen sind ebenso wie ihre geordnete oder statistisch zufällige Verteilung im Raum wesentliche Faktoren. Die Wellenlänge und Polarisation des Lichts ist ebenfalls bedeutsam.

Diese Eigenschaften bestimmen die Intensität der Streuung und ihre Richtungsverteilung im Raum. Auch die Eigenschaften des Mediums (Luft, Wasser, ...), in dem sich die Teilchen befinden, sind wesentlich: ist das Medium homogen und isotrop, oder gibt es wie etwa in Kristallen räumliche Strukturen?

Für ein grundlegendes Verständnis der Lichtstreuung reicht es aus, von vereinfachten Bedingungen auszugehen. Wir nehmen daher an, das Medium sei isotrop und die Teilchen sind in ihm zufällig (statistisch ungeordnet) verteilt. Im zweiten Schritt nehmen wir darüber hinaus kugelförmige Teilchen an; die Berechnung der Lichtstreuung ist dann nicht allzu kompliziert.

Streuung an Teilchen, die nicht kugelförmig sind

Intensität und Polarisation der Lichtstreuung werden mit der Streumatrix S dargestellt, einem Beispiel der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Müller-Matrizen. Solange man keine vereinfachenden Annahmen trifft, besteht sie aus 4×4 unabhängigen Elementen a 11 ... a 44 :

( I y ' I z ' U' V' )=( a 11 a 12 a 13 a 14 a 21 a 22 a 23 a 24 a 31 a 32 a 33 a 34 a 41 a 42 a 43 a 44 )( I y I z U V ) S '=S S

Die Stokes-Vektoren S und S ' kennzeichnen das beleuchtende bzw. das an Teilchen gestreute Licht. Das Symbol S ohne Vektorpfeil ist die Streumatrix.

Mit 16 unabhängigen Elementen wäre allerdings eine theoretische oder experimentelle Untersuchung der Streumatrix außerordentlich kompliziert. Francis Perrin konnte zeigen, dass nur sechs unterschiedliche Elemente verbleiben, wenn die Teilchen in einem isotropen Medium statistisch ungeordnet verteilt sind:

S=( a 11 a 12 0 0 a 12 a 22 0 0 0 0 a 33 a 34 0 0 a 34 a 44 )

Lässt man beliebige Formen der Teilchen zu, so ist auch bei Beleuchtung mit vollständig polarisiertem Licht das gestreute Licht teilweise depolarisiert. Das Element a12 erzeugt depolarisiertes Streulicht, wie sich am Beispiel einer Beleuchtung mit linear in Richtung y polarisiertem Licht zeigen lässt:

( a 11 a 21 0 0 )=( a 11 a 12 0 0 a 21 a 22 0 0 0 0 a 33 a 34 0 0 a 34 a 44 )( 1 0 0 0 )=S o

Das Streulicht kann in eine polarisierte und eine unpolarisierte Komponente zerlegt werden:

( a 11 a 12 0 0 )=( a 11 a 12 0 0 0 )+( a 12 a 12 0 0 )=( I y,p 0 0 0 )+( I y,u I z,u 0 0 )

wobei die Indizes p und u die polarisierten und unpolarisierten Anteile kennzeichnen. Für den unpolarisierten Anteil muss sein: I y,u = I z,u , und U=V=0 .

Streuung an kugelförmigen Teilchen

Wegen der Kugelsymmetrie, bei der es keine Vorzugsrichtung gibt, kann an solchen Teilchen keine Depolarisation des Streulichts auftreten. Die Streumatrix wird dann:

S=( a 11 0 0 0 0 a 22 0 0 0 0 a 33 a 34 0 0 a 34 a 33 )

In diesem Fall liegen nur noch drei unabhängige Elemente vor, denn es ist:

a 11 a 22 = a 33 2 + a 34 2

Dies entspricht der Aussage, dass das Streulicht vollständig polarisiert ist (auch der Stokes-Vektor vollständig polarisierten Lichts enthält nur drei unabhängige Stokes-Parameter). Die Gültigkeit der Beziehung lässt sich aus dem Zusammenhang mit den Amplitudenelementen a 1 and a 2 der Jones-Matrix (die Amplitudentransformationsmatrix):

a 11 = a 1 a 1 * a 22 = a 2 a 2 * a 33 = ( a 1 a 2 *+ a 2 a 1 * ) /2 a 34 = i( a 1 a 2 * a 2 a 1 * ) /2

durch Einsetzen unmittelbar ausrechnen ( i ist wieder die komplexe Zahl 1 und * kennzeichnet das konjugiert Komplexe der jeweiligen komplexen Größe).

Streuung an unterschiedlich großen Teilchen

Die Jones-Matrix für Lichtstreuung an kugelförmigen Teilchen ist wegen der Polarisationserhaltung diagonal, die Elemente a 3 und a 4 sind Null:

( a 1 0 0 a 2 ) ,

Elektromagnetische Theorien zur Lichtstreuung verfolgen das Ziel, die mit den Elementen a 1 und a 2 der Jones-Matrix über die Wellenzahl k= 2π /λ bzw. die Wellenlänge λ zusammenhängenden Amplitudenfunktionen

S 1 =k a 1       und       S 2 =k a 2

zu berechnen. Quadratische Ausdrücke der Amplitudenfunktionen führen zu den Intensitätsfunktionen i 1...4 :

i 1 = S 1 S 1 * i 2 = S 2 S 2 * i 3 = ( S 1 S 2 *+ S 2 S 1 * ) /2 i 4 = i( S 1 S 2 * S 2 S 1 * ) /2

Die Streumatrix kugelförmiger Teilchen wird mit den Intensitätsfunktionen zu:

S= 1 k 2 ( i 1 0 0 0 0 i 2 0 0 0 0 i 3 i 4 0 0 i 4 i 3 )

Sie enthält nur drei unabhängige Elemente, denn es ist:

i 1 i 2 = i 3 2 + i 4 2